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Die Infoplattform zur Endlagersuche.

Gorleben – ein historischer Rückblick

Geschichte und derzeitiger Status des Erkundungsbergwerkes

Gelbe Fässer vor dem Bundestag und ein Mensch mit einer Fahne und hinter ihm hängt ein Transparent mit Aufschrift.

Bilder des Protestes prägten über Jahrzehnte den Ort Gorleben im Osten von Niedersachsen. Der Salzstock sollte nach Erkundungsarbeiten und Eignungsfeststellung Standort für ein Endlager werden. Die Erkundungsarbeiten wurden mit der Verabschiedung des Standortauswahlgesetzes eingestellt. Das Bergwerk befindet sich derzeit noch im Offenhaltungsbetrieb.

Im September 2020 wurde der Salzstock Gorleben endgültig aus dem Suchverfahren nach einem Endlager ausgeschlossen. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung, das mit der Suche beauftragte Unternehmen, weist den Standort in ihrem Zwischenbericht nicht als Teilgebiet aus. Für diesen Fall sieht das Standortauswahlgesetz vor, dass der Salzstock aus dem Suchverfahren ausscheidet. Das Bundesumweltministerium hat daraufhin im September 2021 die BGE mbH beauftragt, das Bergwerk zu schließen.

Lehren aus der Vergangenheit: Das Standortauswahlgesetz

Im Februar 1977 legt Niedersachsens damaliger Ministerpräsident Ernst Albrecht Gorleben als vorläufigen Standort für ein Entsorgungszentrum für radioaktive Abfälle fest. 1983 entscheidet die Bundesregierung, dort den Salzstock auf seine Eignung als Endlager zu erkunden. Eine politische Entscheidung, die hoch umstritten war und deren Umstände auch nicht über einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss geklärt werden konnten.

Der Gesetzgeber zog daraus die Lehren und schuf mit dem Standortauswahlgesetz im Jahre 2013 die Grundlage für ein vergleichendes, wissenschaftsbasiertes und transparentes Suchverfahren unter Beteiligung der Öffentlichkeit. Nachvollziehbare Sicherheitskriterien sollen die Standortentscheidung prägen und nicht andersrum – der Standort die dann passend zu entwickelnden Kriterien.

Gorleben – nukleares Entsorgungszentrum

1960 beginnt in Deutschland mit der Inbetriebnahme des Atomkraftwerkes Kahl die kommerzielle Nutzung der Atomenergie. In der DDR ging kurze Zeit später das Atomkraftwerk Rheinsberg ans Netz. Die Frage, wo die hochgefährlichen Hinterlassenschaften in Form von abgebrannten Brennstäben entsorgt werden sollten, bleibt zunächst unbeantwortet. Das Thema gewinnt erst nach und nach an Relevanz, als die Genehmigung von neuen Reaktoren an die Entsorgungsfrage gekoppelt wurde. Ohne Entsorgungsnachweis konnten keine neuen Atomkraftwerke genehmigt werden.

In den 1970er Jahren sagt das Land Niedersachsen dem Bund grundsätzlich die Bereitschaft zu, ein nukleares Entsorgungszentrum anzusiedeln. Wegen des Flächenbedarfs suchte der Bund nach einem unberührten großen Salzstock in einer dünn besiedelten Region. Als die Untersuchungen bekannt wurden, regt sich an drei in die engere Auswahl genommenen Orten in Niedersachsen Widerstand.

Entscheidung für Gorleben als Endlager

1977 schlägt das Land Niedersachsen den Standort Gorleben als Nukleares Entsorgungszentrum vor mit Wiederaufbereitungsanlage, Brennelementefabrik und Endlager. 100.000 Menschen, darunter zahlreiche Bauern aus Gorleben, ziehen 1979 in die Landeshauptstadt Hannover, um gegen die Pläne zu protestieren. Wenige Wochen später verkündet der damalige niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht zwar das politische Aus für eine Wiederaufarbeitungsanlage. Der Salzstock wird weiterhin auf seine Eignung als Endlager untersucht, begleitet von Protesten, die bis heute nachwirken.1995 geht in Gorleben ein Zwischenlager für hochradioaktive Abfälle in Betrieb. Hierher ließen die Energieversorgungsunternehmen bis 2008 vor allem atomare Abfälle aus der Wiederaufarbeitung in La Hague zur Zwischenlagerung transportieren.

Ein Rückblick auf das Endlagerprojekt Gorleben

Über Jahrzehnte war die Endlagerdebatte geprägt vom Für und Wider Gorleben. Umstritten war, ob sich der Salzstock eignet, um hochradioaktiven Müll sicher von der Biosphäre abzuschließen. Umstritten war auch, wie es zur Auswahl von Gorleben als Endlager gekommen war.

Gorleben-Moratorium

Im Zusammenhang mit dem ersten Atomausstiegskonsens unterbricht 2000 die Bundesregierung die Erkundung des Salzstocks Gorleben durch ein Moratorium. Es endet 2010 mit der Rücknahme des ersten Atomausstiegs. Zwei Jahre später werden die Erkundungsarbeiten im Bergwerk Gorleben fortgesetzt. Sie werden 2013 mit dem Inkrafttreten des Standortauswahlgesetzes beendet.

Rückbau der Anlagen in Gorleben

Gemäß einer Einigung zwischen dem Bund und dem Land Niedersachsen werden die Sicherheitseinrichtungen des Bergwerks auf ein für industrielle Anlagen übliches Maß reduziert. Zum Zwischenlager am Standort Gorleben werden keine neuen CASTOR-Behälter mehr gebracht, da jeder neue Behälter den Eindruck verfestigen würde, Gorleben sei als Endlagerstandort bereits festgelegt. „Kein Mensch“, so drückt es der damalige Ministerpräsident Stephan Weil aus, „würde sonst an eine wirklich ergebnisoffene Suche bei der Endlagerung […] glauben.“ Das Bergwerk Gorleben wird über und unter Tage zurückgebaut. Maßstab ist die Offenhaltung der Schächte.

Gorleben im Standortauswahlgesetz

Von 2014 bis 2016 beschäftigt sich die Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ mit der Frage, wie im Sinne eines bundesweiten ergebnisoffenen Auswahlverfahrens mit dem Standort Gorleben umgegangen werden sollte. Die Kommission empfahl, Gorleben nicht von vorneherein aus dem Suchverfahren auszuschließen. Am 28. September 2020 veröffentlichte die BGE mbH den Zwischenbericht Teilgebiete. Mit diesem Bericht macht das Unternehmen Vorschläge, welche Gebiete in Deutschland aufgrund von schon bestehenden geologischen Erkenntnissen aus dem Verfahren ausscheiden sollen und welche Gebiete näher zu betrachten sind. Der Salzstock Gorleben wurde nicht als Teilgebiet benannt und scheidet deshalb gemäß § 36 StandAG aus dem Verfahren aus. Die BGE mbH begründet diesen Ausschluss wie folgt:

"Auf Basis der Anwendung der geowissenschaftlichen Abwägungskriterien gemäß § 24 StandAG, insbesondere aufgrund der Bewertung des „Kriteriums zur Bewertung des Schutzes des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs durch das Deckgebirge“ [...] erfolgte die zusammenfassende Bewertung des identifizierten Gebietes Gorleben-Rambow mit „nicht günstig“ [...]. Deswegen wurde das identifizierte Gebiet Gorleben-Rambow nicht als Teilgebiet ermittelt."

Das Unternehmen kündigte an, das Bergwerk dauerhaft zu schließen.

Keine Vorfestlegungen – Deutschland als „weiße Landkarte“

Dieses Prinzip der „weißen Landkarte" ist ein zentraler Grundsatz des Standortauswahlverfahrens. Das bedeutet, dass kein Ort in Deutschland bei der Suche von vornherein als geeignet oder ungeeignet gilt. Das Verfahren soll transparent, auf Kriterien basierend sowie unter umfassender Beteiligung der Öffentlichkeit durchgeführt werden. Das sind die Lehren, die unter anderem aus dem jahrzehntelangen Konflikt um den Standort Gorleben gezogen wurden und die unter anderem zu einem Neustart der Suche nach einem Endlager geführt haben.